Historie des Havenhauses
Erbaut wurde das Havenhaus in den letzten drei Jahren des dreißigjährigen Krieges.
Als Amtsgebäude des Hafenmeisters war das Havenhaus fast 200 Jahre das einzige öffentliche Gebäude.
Der Bau des Hafens in Vegesack von 1619-1623 war ein mutiges, weitsichtiges aber auch teures Unternehmen.
Zum ersten mal entstand an der Weser ein allseits umschlossenes, befestigtes und geschütztes Hafenbecken.
Die Kosten von 11.600 Talern brachte nach mehreren vergeblichen Bitten an den Rat der Stadt Bremen fast ausschließlich das Haus Seefahrt auf.
Es erhielt dafür das Recht, jährlich in der Stadt Bremen eine Kollekte zu veranstalten und die Verwaltung des Hafens zu übernehmen.
Die Aufsicht über den Hafen führte ein Hafenmeister, für den das Haus Seefahrt ein Wohnhaus ankaufte; wie alle Vegesacker Gebäude dieser Zeit ein Fachwerkhaus mit Wänden aus Weidengeflecht und Lehmverstrich, Fußböden aus gestampftem Lehm, Reetdach und einfacher Ausstattung. Die wachsende Bedeutung des Hafens ließ bei Bosche Hasselmann, dem ersten Hafenmeister, sicher bald den Wunsch nach einem repräsentativen Dienstgebäude entstehen. Waren es die fehlenden Mittel oder die Auswirkungen des 30jährigen Krieges? Erst 1643 erhielt Bosche Hasselmann von seinen Vorgesetzten in Rechtsangelegenheiten, den stadtbremischen Drosten des Amtes Blumenthal, ein Grundstück zum Bau eines neuen Dienstgebäudes. (…)
Nach Übernahme seines neuen Dienstgebäudes 1648 war Bosche Hasselmann, der Hafenmeister, unumschränkter Herrscher über den Hafen und seine Umgebung, den Handel zu Lande und zu Wasser.
Als die Schweden im Juli 1653 Vegesack besetzten, vertrieben sie den Hafenmeister Bosche Hasselmann aus seinem neuen Dienstgebäude und richteten im Havenhaus ihr Hauptquartier ein. Die schwedische Besetzung war nur von kurzer Dauer. Unter dem neuen Hafenmeister, Heinrich Pundt, nahm die nur kurz unterbrochene wirtschaftliche Entwicklung einen erfreulichen Fortgang.
1671 gab es in der Verwaltung des Hafens eine wesentliche Änderung. Der Senat der Stadt Bremen übernahm den Hafen, wahrscheinlich wegen der stark gestiegenen Unterhaltskosten. Gegen starke Bedenken sämtlicher Schiffer “ein Pächter könne gar zu leicht einen Teil der Einnahmen in seine Taschen springen lassen” verpachtete er den Hafen an den bisherigen Hafenmeister. Der neue alte Pächter, Heinrich Pundt, erhielt zugleich mit dem Havenhaus auch Schankfreiheit, Fischerei und Grasnutzung.
Nur vier Jahre später häuften sich die Klagen über den weiteren Verfall des Hafens und den schlechten Zustand der Bollwerke. Doch erst nach weiteren 20! Jahren ließ der Rat den Hafen gründlich ausbessern und beschloss, da die Pflege des Hafens und des “darauf stehenden Hauses” die Pächter augenscheinlich überforderte, den Ausbau und die Unterhaltung des Hafens selbst zu übernehmen. (…)
Bei seinem Amtsantritt am 17. Mai 1697 musste Gerdt Hinrichs als neuer Pächter einen “Hafenmeister-Eid” ableisten, in dem er sich verpflichtete “alles zum Wohle des Hafens zum Vegesack und des darauf stehenden dieser Stadt gehörigen Hauses nach seinem Vermögen zu befördern.” (…)
Das Dorf Vegesack hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten nur langsam weiterentwickelt. Es bestand nach wie vor aus dem gekrümmten Straßenzug am Fuße des Hügels. Die mit Reet gedeckten Fachwerkhäuser wurden weithin überragt vom Havenhaus und den ankernden Schiffen. Als im Oktober 1719 in der Schmiede vor Kopf des Hafens ein Feuer ausbrach, griffen die Flammen auf das ganze Dorf über und vernichteten fast alle Gebäude. Nur das Havenhaus, als einziges in “Brandmauern” errichtet und mit Pfannen gedeckt, blieb erhalten und wurde damit zum ersten Haus des neu erbauten Ortes. (…)
Mit der rasanten Entwicklung des Handels in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts begann auch der Aufschwung des bis dahin nur langsam gewachsenen Dorfes Vegesack. Bald gab es nicht mehr genug Bauplätze. Bis 1773 die Besiedlung von “Neu-Vegesack” zwischen der heutigen Breiten Strasse und dem Fährgrund begann. Die Bremer betrachteten die an sich erfreuliche Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn Alt-Vegesack wie auch Neu-Vegesack gehörten seit dem Stader Vergleich von 1741 zu Kur-Hannover. Nur der Hafen und das Havenhaus waren den Bremern geblieben.
Trotz langjähriger diplomatischer Bemühungen änderte sich dies erst mit den Reichsdeputationshauptauschlüssen von 1802, denen am 27. Januar 1803 “im Hafenhause unten in dem großen Zimmer neben der Küche” die offizielle Übertragung von Alt-Vegesack an Bremen folgte. (…)
Vegesack war wieder bremisch. Doch der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung blieb – vorerst – aus. Der Handel erlitt durch die französische Besetzung von 1806 bis 1813 einen schweren Rückschlag. Erst als Bremen auf dem Wiener Kongress von 1815 seine Selbstständigkeit als Freie Hansestadt sichern konnte, begannen Handel und Schifffahrt erneut. Bis zum Jahre 1830, der Eröffnung des neuen Hafens an der Wesermündung, blieb Vegesack der einzige Bremer Hafen. (…)
Mit der Eröffnung Bremerhavens verlagerte sich der Seehandel fast völlig an die Wesermündung. Doch die Vegesacker hatten rechtzeitig einen neuen Wirtschaftszweig entwickelt. Sie bauten Schiffe für die Weltmeere und machten Vegesack zu dem bedeutendsten Schiffbauplatz an der Weser. (…)
Vegesack war damals nicht nur Schiffbau-, sondern auch Schifferstadt. 1850 lebten hier 260 Seeleute und von diesen – aber nicht nur – lebten die 16 Gastwirtschaften und vor allem das erste Haus am Platze, das Havenhaus. Hier wurden die Stapelläufe der großen Segler, die auf den Werften Vegesacks entstanden, gefeiert und hier fand manche erfolgreiche Fahrt der Kauffahrer und Walfänger ihren Abschluss. Im Havenhaus war die Schiffergesellschaft, die Standesvertretung der Vege- sacker Schiffer, zu Hause. (…)
Alljährlich im Winter war der Schifferball im Havenhaus das herausragende gesellschaftliche Ereignis der Saison. Aber nicht für die meist mittellosen einfachen Seeleute. Es war das Fest der Kapitänsfamilien, der eingeladenen angesehenen Bürger und der angehenden Seeoffiziere.
Kaum ein Jahr nach der offiziellen Gründung der Schiffergesellschaft fand ein oft beschriebenes Ereignis statt: die Auflösung der vom Bremer Senator und Reichshandelsminister Arnold Duckwitz gegründeten ersten deutschen Kriegsflotte. Und da ein Teil der Flotte, 26 Kannonenboote, in Vegesack lag, kamen diese im April 1853 für nur 4100 Taler im Havenhaus unter den Hammer. (…) Ein Hauch von Weltpolitik hatte das Havenhaus und Vegesack berührt.
1858 wurde es eng im Havenhaus. Seit der formellen Erhebung zur Stadt vor sechs Jahren gab es immer mehr Bedarf an öffentlichen Diensträumen in Vegesack. In den Räumen an der Hafenstraße machte sich die Post breit. (…) Auch die Pacht des Hafens brachte nichts mehr ein. (…)
1868, nach 220 Jahren Personalunion, trennte man das Amt des Hafenmeisters von der Verpachtung des Havenhauses. Wer hätte auch einen Hafen ohne Einnahmen pachten sollen?
Der Schiffbau in Vegesack erlebte um 1870 eine schwere Krise. Auf den drei Vegesacker Werften sank die Zahl der Arbeitsplätze auf ganze 55. Sager hatte seinen Betrieb bereits 1869 aufgegeben. 1871 kam der Schiffbau völlig zum erliegen. Was war geschehen? Auf den Weltmeeren verdrängten die Dampfschiffe zunehmend die Großsegler. Die Vegesacker Schiffbauer erkannten das offenbar zu spät und versäumten es, ihre Werften rechtzeitig umzustellen. 25 Jahre sollte die Krise dauern. (…)
Auch in Vegesack setzte man zunächst große Hoffnungen in die Korrektion der Unterweser und baute 1891 sogar den Hafen aus, um ihn der neuen Fahrwassertiefe der Weser anzupassen. Doch die Schiffe fuhren vorbei in Richtung Bremen. Die Vegesacker und die Ausflügler schauten zu. Pächter des Havenhauses, wie Fr. Schröder und Carl Herbst, priesen in ihren Anzeigen noch vor erstklassiger Küche und gepflegten Getränken den Blick auf Weser und Lesum an. (…)
Die Konkurrenz der neuen Ausflugs-Lokale war übermächtig. Nur noch zeitweise diente das alte Havenhaus als Hotel. Lange Jahre, ab 1911, hatte der “Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung” 5 Räume angemietet. Ab 1927 waren es sogar 7. Ebenfalls für längere Zeit war der “Club Havenhaus” Generalpächter, der die Räume an Gastwirte und Mitbenutzer wie den “Deutschen Offiziers Bund” – bis 1945 – vermietete. Sogar der “Guttemplerorden zur Bekämpfung des Alkoholgenusses” ist als Mieter aufgeführt. Die Zeiten waren schwierig, die Speisekarten dünn. (…)
Städtebaulich war das Havenhaus schon lange in die zweite Reihe gerückt. Mächtige Packhäuser der Fa. Schröder & Comp. Besetzten den heutigen Utkiek. Auf dem neuen Vorland an der Weser entstand 1898 die Strandlust und das Werftgelände der Friedrich-Lürssen-Werft rückte immer weiter in Lesum und Weser vor.
In den zwanziger Jahren gab es tiefgreifende Änderungen vor dem Hause. Die Fa. Schröder & Comp. Verkaufte ihre baufälligen Häuser an die Stadt Bremen, die nach Abbruch der Gebäude eine neue Fährrampe bauen ließ und den ersten “Utkiek” gestaltete.
Mitte der 30er Jahre ließ die Stadt Bremen den Utkiek umgestalten. Anstelle des alten schmalen Fähranlegers vor dem Havenhaus entstanden 1936 großzügige neue Anleger nahe der Strandlust. Dies hatte für das Havenhaus weitgehende Folgen. Eine Zufahrtstraße vom Hafen führte direkt vor dem Havenhaus vorbei. Für den Fußweg blieb kein Platz und so wandelte man einen Teil des Erdgeschosses in Arkaden um. Ein Eingriff, der erst 1979 im Zuge des gründlichen Umbaus rückgängig gemacht werden konnte. (…)
Den zweiten Weltkrieg überstand das Haus unversehrt, doch war sein Zustand mehr als unansehnlich. 1947 erneuerte das Bauamt den Außenputz, doch die Mischung hatte wohl nicht gestimmt. Bereits 1952 musste der Putz gründlich nachgebessert werden – und fiel nach vier Jahren abermals runter. Die nächste Sanierung war fällig. Doch nicht nur die Fassaden erstrahlten 1956 in einem “leuchtend gelben, altdeutschen Kellenputz”, auch das Dach glänzte nach 175 Jahren wieder in einer neuen Eindeckung. (…)
Innerhalb des Hauses pflegte die internationale Bruderschaft der Cap Horniers, Sektion Weser, durch regelmäßige Sitzungen die Tradition der Großsegler. Zahlreiche Leihgaben und Bilder in den Gasträumen machten auch für auswärtige Besucher diese Tradition sichtbar.
Doch dann kamen die Sturmfluten der siebziger Jahre und die Erkenntnis: ohne eine grundlegende Sanierung, verbunden mit dem Schutz gegen das immer höher auflaufende Wasser gibt es keine Zukunft für das Havenhaus.
Die Umbaumaßnahmen, insbesondere der Flutschutz, waren so umfangreich, dass heute von dem “dritten” Havenhaus gesprochen werden kann. Wurde 1781/82 im wesentlichen das Äußere neu gestaltet, so sollte das Havenhaus diesmal ein völlig neues Innenleben erhalten. (…)
Strandlust-Geschäftsführer Philipp Thiekötter pachtet nun zum 1. Oktober 2016 die Traditionshäuser „Grauer Esel“ und das Hotel-Restaurant Havenhaus in Vegesack mit seinen zwanzig Hotelzimmern.
Und damit Vegesacks Keimzelle: 1648 wurde das Havenhaus am Utkiek gebaut, 1777 der „Graue Esel” direkt am Hafenbecken.
Das Personal wechselt nach Thiekötters Worten mit dem bisherigen Pächter in dessen weitere Gastronomiebetriebe. „Dass die Leute mitgehen, hat sich erst spät herausgestellt und bedeutet für uns jetzt natürlich erhebliche Mehrarbeit. Aber man kann ja auch ein paar Wochen schneller schlafen,“ sagt ein gut gelaunter Philipp Thiekötter wenige Tage, nachdem die Tinte unter den Verträgen trocken ist. Unter Hochdruck muss er nun gute Leute für Küche und Service finden, will anfangs aber auf jeden Fall auch auf sein Strandlust-Personal zurückgreifen. Das Vegesacker Traditionshotel direkt an der Fähre hat der in St. Magnus aufgewachsene Thiekötter vor nunmehr zehn Jahren übernommen. Das Angebot zur Übernahme des Havenhauses und des Restaurants „Grauer Esel“ kam jetzt über eine Projektagentur.„Wir haben natürlich gerechnet. Und ich habe sofort gesagt: Das wird eine tolle Sache, die unser Portfolio perfekt ergänzt“, ist sich Thiekötter sicher. Aus der Nähe zum Haupthaus Strandlust ergäben sich Synergieeffekte etwa in der Verwaltung und im Ein- und Verkauf. Die Rezeptionsdienste etwa bei der Buchung der Hotelzimmer im Havenhaus will der Hoteldirektor künftig über die Strandlust abwickeln.